Integrierte Stadtentwicklung und Nachverdichtung
Städte und Kommunen müssen zunehmend klimagerecht, ressourcenschonend, wirtschaftlich effizient, sozial verträglich und hochwertig gestaltet werden. Wie können diese Herausforderungen erfolgreich gemeistert werden? Wir haben darüber im Rahmen unserer Reihe "3 Fragen an ..." mit Prof. Dr. Matthias Ottmann, Honorarprofessor im Fachgebiet Stadtentwicklung und Immobilienwirtschaft, Lehrstuhl für Raumentwicklung, Fakultät für Architektur, Technische Universität München, gesprochen.
Siedlungs- und Quartierskonzepte der Zukunft
Wie müssen Ihrer Erfahrung nach zukünftige Integrierte Siedlungs- und Quartierskonzepte aussehen?
Prof. Dr. Matthias Ottmann: Um Nachbarn und betroffene Bürger von einer Stadtplanung zu überzeugen, sollten wir uns ein Bild über die Bedürfnisse der Wohnungssuchenden, aber auch über die möglichen Bedenken der Anwohnerschaft machen. Beide Seiten zu betrachten und möglicherweise zu vereinen bildet den Schwerpunkt der kommunalen Aufgabe. Nur dann können wir von einem „Integrierten Ansatz“ sprechen.
Nachverdichtung: Chancen vs. Herausforderungen
Brachflächenrecycling, Baulückenschluss und Aufstockung - mit Blick auf den steigenden Wohnraumbedarf wird vor allem in den wachsenden Städten nachverdichtet. Wie viel Chance und wie viel Problem schwingt in dem Begriff der Nachverdichtung mit?
Prof. Dr. Matthias Ottmann: Die Möglichkeiten zur Nachverdichtung sind vielfältig, was bleibt ist auch hier die Frage, ob und inwieweit der Wunsch des Bauherrn, eine (möglichst) höherwertige Nutzung herbeizuführen auch auf Zustimmung stößt. Das grundsätzlich Gute an dem bestehenden Planungsrecht ist, dass das Recht zu bauen nicht zugunsten einer Partei ausgelegt werden kann. Wenn also auf der einen Straßenseite gebaut und geplant wird, steht dem Nachbar auf der gegenüberliegenden Seite das gleiche Baurecht zu, wenn keine anderweitigen Regeln dagegenstehen. Das heißt aber wiederum, dass sich das Recht auf Aufstockung oder das Schließen einer Baulücke an dem Baurecht orientieren muss, das bereits besteht. Mindestens dieses Baurecht sollte eingeräumt werden, außer es sprechen übergeordnete städtebauliche Gründe dafür, die Dichte weiter anzuheben.
Quartiersentwicklung mit integriertem Mobilitätskonzept
In der Konzeptstudie E-Motive-City haben Sie sich mit einer Quartiersentwicklung mit integriertem Mobilitätskonzept befasst. Welchen Einfluss werden Veränderungen in der Mobilität auf unsere Stadtviertel der Zukunft haben?
Prof. Dr. Matthias Ottmann: Ich persönlich würde mir wünschen, dass wir die Möglichkeiten von Mobilität und Digitalisierung noch viel stärker ausnutzen. Wenn der ruhende Verkehr zu Flächenverbrauch führt, der Suchverkehr andererseits wenig zeiteffizient ist, müssen wir uns doch wirklich einmal fragen, ob es nicht ein anderes Setting gibt. Bei unserem Forschungsseminar an der TUM, das die Grundlage für „E-Motive City“ bildete, war uns ein Paradigmenwechsel wichtig: wir verzichten auf das eigene Auto. Mit dieser Forderung oder auch „Annahme“ können wir uns endlich auf die Suche nach einem neuen und optimierten Mobilitätsangebot machen: Verzicht auf Stellplätze und Tiefgaragenplätze, dafür dezentrale Mobilitäthubs, Nutzungsangebot und Vielfalt, die jedem Nutzer von Mobilität den konkreten Bedarf der Fortbewegung wie z.B. shared mobility, autonomous driving oder Klein- und Nutzfahrzeuge liefern kann, und schließlich: Abkehr von der monofunktionalen Ausrichtung eines neuen Wohnquartiers - wir sprechen da gerne auch von der so genannten „Schlafstadt“- und Schaffung urbaner Quartiere mit lebendigen, attraktiven neuen Stadtteilkernen.